Jubiläumswoche Gernrode im Jahrhundertsommer 2018

Zum 40. Mal war die Gregorianische Woche der KAA zu Gast in Gernrode.

Ein Jubiläum voller Dankbarkeit und Freude! An unserem traditionellen „Bunten Abend“ in der Mitte der Woche haben wir mit dem Gemeindekirchenrat, der Pfarrersfamilie und dem Cyriakushaus- Personal ein Fest gefeiert zwischen Vesper und Complet. Einmal darf man die Abendhore auf 22 Uhr verschieben.  Es gab eine Rückschau mit Dank, viel Fröhlichkeit und Gutes auf Tisch und Teller! Dass unser „Archekantor“ Lothar Fleischer speziell zu diesem Fest 1 Tag angereist kam, war uns Ehre und Freude!

 

Von dieser Woche bleibt unvergessen:

  • Der große Freudenconvent mit 43 Teilnehmern, davon 8 Gernrodeerstteilnehmer

  • Beflügelt hat uns die von Anfang an erfreuliche Singpraxis in den Horen, geleitet und geführt von den beiden Kantoren Christine Unger und Thomas Bergholz

  • Unter uns der Jude Yuval Lapide zu dem mit Spannung erwarteten StudienThema “Brückenbauende Gedanken eines modernen Juden bei der Begegnung von Juden und Christen“ (mehr dazu siehe unten)

  • Der Zukunftsweg: unter uns im Convent 3 Kinder im Alter von 2-5 Jahren. Für die Studien- und Singübungszeiten war die Schülerin Sibylle aus Plauen ihre Betreuerin. Im Hohen Chor hatten sie einen Platz zu den Stundengebeten und durften diese nach eigener Entscheidung verlassen. Die Kinder waren unsere Freude!

  • Der „Nicht Theologe“ Michael Müller hat uns mit den Homilien Kyrie, Gloria, Credo, Sanctus, Benedictus beschenkt

  • Unser Praeses war Henning Drude, im Laufe der Woche hat er für sich und uns Chance und Freude an diesem für ihn bisher ungewohnten Amt entdeckt

  • Der Gemeindegottesdienst am Israelsonntag wurde mit Schola-Gesang und erfrischender, zu Herzen gehender Predigt durch Ali Beck gestaltet

  • Das Hebdomadarius-Amt hat mit gewohnter Zuverlässigkeit und Können Walter Pehl ausgefüllt

  • Das Ausflugsziel war die Klosterkirche St. Vitus in Drübeck und ihre schönen Gärten

  • Die Feier der Messe am Samstag? Der feine Höhepunkt der Woche, gekrönt durch Gesang der beiden Scholen, Predigt- und Celebrantenämter waren wunderbar besetzt mit Käthe Lange und Dorothea Gölz-Most

  • Unser vormaliger Wochen-Praeses Wolfgang Irrlitz hat uns mit einer großen Gemeindegruppe aus Hannover zur Messe als Besucher erfreut

  • Immer teilen wir die in der Woche empfangene Freude mit den Altenheimbewohnern im Hagenthal bei einem Musikalischen Besuch

 

Was ist Brückenbau?

Entscheidend ist der begehbare Weg zwischen den beiden Brückenköpfen, den man erarbeiten muss. Yuval Lapide hat uns in leidenschaftlichem, oft überschießendem Temperament den jüdischen Brückenkopf beleuchtet. Wer an der morgendlichen und fakultativen nachmittäglichen Studienzeit teilnahm, konnte viel erfahren, erspüren und bedenken. Andere waren von ungewohnter Heftigkeit des Vortrags befremdet und haben das auch ausgedrückt. Diese unterschiedlichen Impressionen hat der Convent schließlich gewinnbringend getragen und erlebt. Unseren Brückenkopf hat der Jude Yuval Lapide im gelebten Glauben unserer Stundengebete, den Gottesdiensten und bei schönen Begegnungszeiten bei Tage oder unterm Sternenhimmel erfahren.

Brückenbau? „Israel ist immer eine schwere Adresse“ sagt Angelika Schrobsdorf und Brückenbau ist kein leichtfüßiger Beruf. - Aber geschehen ist er doch!

Danke für diese Woche, lieber Gott! Und an alle Dagewesenen bis zum Wiedersehen 2019 vom 3. – 11. August.

 

Dr. Barbara Axthelm, Eisfeld

 

Brücken bauen:

Verständigung und Versöhnung  zwischen Juden und Christen

Eine Veranstaltung im Rahmen der 40. Gregorianischen Woche in Gernrode August 2018 mit Dr. Yuval Lapide, Religionswissenschaftler

 

Dieses Thema war für das diesjährige Studium ausgewählt: Es ist aktueller denn je und traf auf gesteigertes Interesse der Teilnehmer*innen. Die Diskussionsbereitschaft war groß, so dass sich auch nachmittags in den Freistunden noch etliche fanden, die weitere Fragen und Diskussionsbedarf hatten. Der Dozent hatte kein festes Programm mitgebracht, sondern wollte anhand von einigen Textbeispielen aus dem Neuen Testament die Verwurzelung dieser Texte in der jüdischen Erzähltradition aufzeigen. Parallelen zwischen Gleichnissen und Psalmen sowie anderen alttestamentlichen Texten wurden so deutlich, die Dr. Lapide aus der schier unermesslichen Fülle seines Wissens anschaulich und mit deutlicher Begeisterung vortrug und detailreich erläuterte.

Zum Dozenten:

Auf seiner Homepage lesen wir, dass Yuval Lapide 1961 in Jerusalem als Sohn der bedeutenden jüdischen Religionsgelehrten Pinchas und Ruth Lapide, beide jahrzehntelang im jüdisch-christlichen Dialog europaweit tätig, zur Welt kam. Seine Muttersprache ist das Hebräische, anders als bei seinen Eltern, die im deutschsprachigen Raum geboren, aufgewachsen und 1938 vor der Shoa ins Heilige Land geflohen waren. 1974 übersiedelten die Eltern nach Deutschland, um im Land der Verfolgung ihrer Glaubensgenossen die Versöhnungsarbeit intensiv aufzunehmen. Nach dem Abitur studierte Yuval Betriebswirtschaftslehre und arbeitete jahrelang als Bankkaufmann. Nach dem Tod des Vaters entschloss er sich, das Werk seiner Eltern fortzusetzen und bereitete sich durch ein intensives Studium der Judaistik, Jüdischer Philosophie und Rabbinischer Bibelexegese auf die Tätigkeit als geistiger Brückenbauer vor. Er verließ die Arbeit in der Bank und lebt jetzt als weltweit gesuchter freischaffender Vortragender, Seminarleiter und Autor vorwiegend in Frankfurt.

Zum ‚Studium‘:

Bei der Gregorianischen Woche in Gernrode lösten Dr. Lapides unorthodoxe und manchmal schulmeisterliche Vortragsweise sowie seine sehr bildhafte Sprache zunächst Verwunderung und Befremden im Konvent aus. Bald aber wurde sein immenses Wissen erkannt und es wurden Fragen an ihn herangetragen, auch Wünsche der Auslegung bestimmter neutestamentlicher Texte, die er ohne weiteres akzeptierte und behandelte. Bereichert um die Erkenntnis, wie stark alttestamentliche Bilder, Gebetsformeln und Bezüge in den Erzählungen des Neuen Testaments und da vor allem in den Gleichnissen Jesu verwurzelt sind, erfuhren wir so eine Fülle von Details und Hinweisen, die vielen von uns neu waren.

Am letzten Tag stand das Thema ‚Lösungsmöglichkeiten des Konfliktes zwischen Israel und Palästinensern‘ auf der Tagesordnung, und hier konnten wir den bedingungslos seine Heimat liebenden Dozenten Dr. Lapide erleben, der aktuell kaum eine Chance für einen Brückenbau zwischen Juden und Moslems sieht und eine Korrektur der israelischen Politik gegenüber dem geteilten palästinensischen Volk weder erkennen kann noch gutheißt.

Nach einer sehr intensiven Woche des Studiums blieben also sehr viele Fragen offen, biblische wie politische, aber der christliche-jüdische Dialog erwies sich einmal mehr als fruchtbringend und unverzichtbar.

 

Dr. Elisabeth Dickmann, Bremen

August 2018