Pfingstwoche Lippoldsberg 25-30.Mai 2015

„Erst erbauen wir die Räume, dann erbauen die Räume uns.“ - Wer das sehens- und lesenswerte Heft zur Klosterkirche Lippoldsberg bis zur letzen Seite anschaut und liest, findet diesen Satz von den Räumen, die erbaut wurden und erbauen. Er stimmt wirklich im Blick auf diese einzigartige Kirche – Klosterkirche St. Georg und Maria. Sie wurde um 1150 n. Chr. errichtet und blieb im Wesentlichen unverändert erhalten. Zeitweilige, dem Zeitgeschmack entsprechende Veränderungen wurden nicht beibehalten, so dass eine „stilreine romanische Basilika“ erhalten blieb – geschaffen für gregorianische Gesänge. Diese anzustimmen zum Lob Gottes und zu unserer Freude – dazu waren wir eingeladen. - Würden sich genügend Menschen anmelden, damit die Pfingstwoche 2015 stattfinden könnte? - Vierzehn Namen standen zu Beginn auf der Teilnehmerliste – drei mussten aus gesundheitlichen und persönlichen Gründen wieder absagen. So waren wir ein kleiner Konvent aus drei Frauen und acht Männern.

Die Klosterkirche und eine urige Herberge (in der einige übernachteteten, in die wir unsere Mittagssuppe geliefert bekamen, in der nachmittags freundliche Menschen Kaffee kochten und die vor allem an den Abenden als Gemeinschaftsraum diente), das Gemeindehaus (für Singübungen und Studium) und das Hotel „Lippoldsberger Hof“ (in dem alle anderen übernachteten sowie Frühstück und Abendbrot serviert wurden) lagen dicht beieinander, so dass es keine weiten Wege gab und der enge Zeitplan, vor allem morgens und vormittags, einigermaßen einzuhalten war.

Die Homilien in der Matutin waren aufgeteilt (Rüdiger Schloz, Alexander Beck, Sibrand Förster) und den Lesungen aus dem Buch des Propheten Sacharja zugeordnet.

Eine echte Überraschung war für mich in dieser Woche das Studium zum Thema „Luthers Judenfeindschaft und ihre Wurzeln. Anstoß zum Umdenken“ - geleitet von Pastor i.R. Dr. Hartwig Drude – ein Studium, das bewegte und emotional berührte. Es nahm uns mit auf den Weg im Leben und Denken Martin Luthers, der 1523 in seiner Schrift „Dass Jesus Christus ein geborener Jude sein“ für eine bedingungslose Duldung der Juden in der christlichen Gesellschaft eintrat - und 1543 in dem Traktat „Von den Juden und ihren Lügen“ eine Vertreibung der Juden aus den christlichen Ländern Europas vertritt und erschreckende Empfehlungen gibt, wie mit Juden umgegangen werden sollte, um dieses Ziel zu erreichen. - Was bewegte Luther zu diesem Sinneswandel? Wie verändern diese Einsichten unser Bild des Reformators? Oder welche Wirkungen hat die judenfeindliche Haltung Martin Luthers bis hinein in das 20. Jahrhundert? - Diese Fragen stellten sich.

Keine Überraschung war für mich, dass die Singübungen absolut sicher, fröhlich, von feinem Humor durchzogen und immer motivierend von Kirchenmusikdirektor Georg Popp geleitet wurden. So kannte ich seine Arbeit von früheren Wochen in Fürstenwalde und Meißen. Fehler wurden freundlich korrigiert. Es machte wieder Spaß.

Ein erstes Mal - nicht „Zur Erprobung“ oder „Revidierte Psalmen zur Erprobung“ oder „Vorabdruck“ - ein erstes Mal konnten wir aus der Neuausgabe des Alpirsbacher Antiphonale die Gottesdienste der Pfingstwoche üben und feiern. Die Übung machte es möglich, von Stundengebet zu Stundengebet immer mehr den Tönen nachlauschen zu können, die sich in der Kirche wirklich entfalten konnten, bevor wir zur zweiten Hälfte des Psalmverses einsetzten.

Die Messe konnten wir in aller Ruhe am Sonnabendvormittag mit Pastor i. R. Henning Drude feiern. Er hatte uns als Organisator und Hebdomadarius gemeinsam mit Präses Dr. Rüdiger Schloz sicher und freundlich durch die Woche geleitet.

Auf dem früheren Nonnenchor der Klosterkirche (die letzte Benediktinerin starb 1569 – damit erlosch das Kloster) steht heute eine Orgel. Georg Popp spielte – außerhalb des offziellen Programms zu spätabendlicher Stunde – vor allem Improvisationen zu gewünschten Liedern aus dem Evangelischen Gesangbuch.

Aus der Geschichte des Ortes Lippoldsberg, des Klosters, seiner Kirche und aus der christlichen Gemeinde in Lippoldsberg heute berichtete Pfarrer Christian Trappe, seit siebzehn Jahren in Lippoldsberg im Dienst. Die Gemeinde stellt sich der Aufgabe, ihre besondere Kirche baulich zu erhalten und offen zu halten für Menschen, die zufällig vorbeikommen, die gezielt diese Kirche besuchen, die Gottesdienst feiern in dieser Kirche oder ein Konzert erleben wollen. Das alles ist Herausforderung für eine kleine Gemeinde, ohne große Mühe und viel ehrenamtliches Engagement nicht zu bewältigen. Die Arbeit einer angestellten Kantorin macht es möglich, dass die Musik einen Schwerpunkt in der Gemeindearbeit bildet und die Kirche zum Klingen bringt – wie wir sie zum Klingen bringen konnten mit pfingstlichen Gesängen in der Gewissheit, dass Gottes Geist seine Welt erhält und erneuert: „Du sendest aus deinen Odem, so werden sie geschaffen und Du machst neu die Gestalt der Erde, Halleluja.“

Jürgen Schwarzbach